Lauf geht’s: 21 Kilometer, die viele emotionale Hochs und Tiefs bringen – Volontärin Lea Krug hat selbst mitgemacht
Von unserem Redaktionsmitglied Lea Krug
Ein halbes Jahr wöchentliches Training, über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ein Ziel: einen Halbmarathon laufen. Ich habe als Volontärin für den Zeitungsverlag Waiblingen mitgemacht, mich zwischendrin für diese Entscheidung verflucht und es am Ende doch durch den roten aufgepusteten Bogen beim Panoramalauf in Neresheim geschafft. Und vor allem eines erfahren: So ein Lauf verursacht ein ordentliches Gefühlschaos.
Ich bin aufgeregt, unruhig laufe ich durch die Gegend. Ich überprüfe, ob meine Schuhe auch richtig sitzen. Noch eine Stunde, bis unser Startschuss fällt. Mit meinen Laufkolleginnen und -kollegen aus Winterbach stehe ich zusammen. Wir machen noch ein paar Dehnungsübungen und laufen uns im Kreis ein bisschen warm. Manche aus der Gruppe erzählen, sie hätten in der Nacht kaum ein Auge zubekommen. Wir alle sind tierisch aufgeregt.
Ein halbes Jahr lang haben wir uns vorbereitet. Im April starteten wir im Rahmen des Gesundheitsprogramms Lauf geht’s. Wegen Corona allerdings erst mal jeder für sich. Ein Trainingsbuch gab aber Anleitung, ein großer Lauf pro Woche und ein bis zwei kleine Runden, waren in den Trainingswochen vorgesehen. Kontinuierlich wurden die Läufe immer länger. Ab Juli starteten für uns schließlich dann die gemeinsamen Trainingseinheiten. In Winterbach, Waiblingen, Winnenden und Welzheim trafen sich Gruppen einmal in der Woche zum Training. Ich traf mich mit einer bunt gemischten Gruppe aus Frauen und Männern zwischen 18 und 50 Jahren jeden Mittwoch an einer Sporthalle in Weinstadt. Nachdem der Bottwartal-Marathon abgesagt worden war, ging es für uns nun zum Panoramalauf in Neresheim, der immerhin rund 200 Höhenmeter den Läuferinnen und Läufern abverlangt. Wegen der Corona-Vorgaben starten wir alle in kleinen Gruppen.
Der Startschuss fällt, auf den ersten Kilometern läuft es gut
Über Lautsprecher werden wir aufgerufen. Es geht los. Die ersten Kilometer laufen leicht von der Hand. Manche quatschen sogar ein bisschen. Jemand anders hat einen kleinen Lautsprecher dabei, AC/DCs „Highway to Hell“ dröhnt laut. Noch haben die meisten gut lachen, vorbei geht es unter anderem am malerischen Hertsfeldsee. Wir haben Glück, das Wetter spielt mit, bei kühlen Temperaturen kommt die Sonne raus. Die ersten Kilometer sind geschafft. Am Seeufer hat sich eine lokale Blaskapelle aufgestellt und gibt einen klassischen Marsch zum besten. Das lenkt vom langsam eintönig werdenden Laufen ab. Immer wieder stehen Zuschauerinnen und Zuschauer am Wegesrand. Jemand ruft mir zu: „Du schaffst das.“ Ich lächle etwas gequält zurück. Unter anderem Familienmitglieder von Yvonne Beck und Mutter Heidi Renz-Beck aus Schwaikheim feuern ihre Liebsten an. Auch für Mutter und Tochter der erste Halbmarathon. Gemeinsam haben sie trainiert. Die beiden freuen sich über den Zuspruch ihres „Fanclubs“, wie sie sagen.
Wir Läufer motivieren uns gegenseitig, wenn wir uns überholen. Die meisten treten hier nicht gegeneinander an, sondern laufen gemeinsam. Der Kampf wird nicht gegen andere geführt, der Gegner ist vielmehr der eigene Körper.
Besonders fällt Philippe Pelletier auf, der mit Laufsandalen unterwegs ist. „Ich bin gerne barfuß“, sagt er. Damit habe er den besten Kontakt zum Boden. Er ist stolz auf sich, heute dabei zu sein. Vor einem halben Jahr habe er nicht einmal fünf Kilometer durchgehalten. Viele, die dabei sind, haben nur wenig Erfahrung mit langen Läufen.
Bei Wasser und Fitnessriegel denke ich an Kaffee und Kuchen
Den wohl schwersten Teil haben wir noch vor uns: der Aufstieg in Richtung Wald. Der Weg, den wir nehmen, hat eine ordentliche Steigung. Viele verlangsamen ihr Tempo, manche beginnen zu walken und wieder andere keuchen sogar. Ich bekomme langsam Hunger, und noch nicht mal die Hälfte geschafft. Ich frage mich so langsam, warum ich mich angemeldet habe und ob so ein Vormittag auf dem Sofa mit Kaffee und Kuchen nicht entspannter gewesen wäre. Stattdessen gibt es jetzt, nach 10 Kilometern, einen halben Fitnessriegel, ich versuche, gleichzeitig zu kauen und zu laufen.
Doch immerhin, der größte Teil der heutigen Höhenmeter liegt inzwischen hinter mir. Doch ich werde immer langsamer, mein Tempo lässt zu wünschen übrig, wie mir der Blick auf meine Fitnessapp auf dem Smartphone offenbart. Schließlich holt mich eine der Läuferinnen aus meiner Gruppe ein, ich hefte mich an ihre Fersen und versuche ihr hinterherzulaufen. Mein Tempo verbessert sich schließlich wieder, der gemeinsame Weg ist eben einfacher. Die Laufstrecke ist nun ein schmaler Waldweg, wir laufen über Wurzeln und Moos. Die 18-jährige Lucca Huttelmaier bewundert die schöne Landschaft. Nur die ein oder andere rutschige Wurzel mache ihr zu kämpfen.
Mit der Zeit wird es immer anstrengender. Meine Lust vergeht zusehends. „16 Kilometer“ steht auf einem kleinen Schild am Rand. Es wird wirklich anstrengend. Nach dem Lauf sagt etwa auch die 31-jährige Lena Hanke „Kilometer 16 war wirklich übel.“ Der leichte Gegenwind macht es dabei auch nicht unbedingt leichter, wie Birgit Lenhof aus meiner Laufgruppe bemerkt. Unsere Energie lässt langsam nach. Doch jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen und von weitem hört man auch schon Jubelrufe im Ziel. Das spornt ein letztes Mal an. Als ich tatsächlich den roten Bogen im Ziel sehe, kribbelt mein ganzer Körper. Fast kommen mir die Tränen. Wir haben es tatsächlich geschafft. Die Messgeräte piepsen, als ich durchs Ziel laufe. Wow, 21 Kilometer liegen hinter mir.
Diejenigen aus unserer Trainingsgruppe, die bereits im Ziel sind, begrüßen mich freudestrahlend. Diejenigen, die noch auf dem Weg sind, feuern wir vom Ziel aus gemeinsam an. Und tatsächlich haben es alle 98 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den verschiedensten Gruppen im Rems-Murr-Kreis ins Ziel geschafft.