Lauf-geht’s-Läuferschar am Start: Worauf es jetzt wirklich ankommt

von Susann Haul

Laufen wirkt wie eine Kur für Körper und Seele. Wer am eigenen Leib spürt und erlebt, wie gut Laufen tut, wird die neue Wohlfühlgewohnheit nicht mehr aufgeben wollen. Bis es soweit ist, gilt’s ein paar Tricks zu beachten.

Was Gesundheitssportlerinnen und -sportler an Tipps und Kniffen aus dem Profisport mitnehmen und welche Fehler sie vermeiden können, darum ging es beim ersten Online-Vortrag von Wolfgang Grandjean, dem Mitbegründer des Gesundheitsprogramms „Lauf geht’s“. Das Ziel: nach sechs Monaten Training einen Halbmarathon laufen. Der Zeitungsverlag Waiblingen bietet nach coronabedingten Pausen das Lauf-geht’s-Programm nun wieder an; Start war vergangene Woche.


Diese fünf Gründe bringen, so Wolfgang Grandjean, auch Bewegungsmuffel zum Laufen: Sport hält jung. Sport macht schlau und wirkt positiv auf die Psyche. Bewegung vermindert Krankheitsrisiken wie Diabetes, Herzinfarkt oder Alzheimer. Sport vermindert den Gelenkverschleiß, weil diese durch die Belastung fester werden. Sport schafft Gelassenheit, denn Laufen ist eine Atempause für das Gehirn.


Training ohne Druck und ohne Stress
Grandjeans wichtigster Tipp: „Stresst euch nicht und setzt euch nicht unter Druck. Ihr wollt Spaß haben und gelassener werden! Stress ist dabei keine gute Hilfe.“ Wenn das Training am Anfang zu leicht erscheint, ist es genau richtig. Das Tempo kommt mit der Zeit. „Lieber längere und ruhigere Einheiten am Anfang als kurze und zu intensive. Denn wer am Anfang zu schnell losläuft, riskiert eine Verletzung“, weiß Grandjean aus eigener Erfahrung.


Bei Lauf geht’s halten sich Belastung und Erholung die Waage. Ziel ist es, gesund und mit Freude zu laufen. Wer nach vier Monaten merkt, dass es mit dem Halbmarathon nicht klappt, kann sich auch zehn Kilometer als Ziel setzen. Das sei besser, als auf Gedeih und Verderb auf den Halbmarathon zu trainieren. Dennoch ist sich Grandjean sicher, dass die meisten den Halbmarathon schaffen werden.


Ganz wichtig: die Pausen
Beim Lauf-geht’s-Training wechseln sich lange und langsame Einheiten mit kurzen, hochintensiven Trainings und den Steigerungsläufen ab. Dies bedeutet einen höheren Trainingseffekt in kürzerer Zeit. Pausen zur Regeneration sind wichtig. „Bei Leistungssportlern ist die Regenerationsphase sehr kurz. Unser Körper hingegen braucht mindestens einen Tag, um wieder Kraft zu tanken. Dabei sind die Muskeln und Sehnen das schwächste Glied“, so Grandjean.


Eine wichtige Säule des Programms sind daher die Mobilisierungs- und Stabilisierungsübungen. „Diese auf gar keinen Fall unterlassen“, mahnt Grandjean. Zwei bis dreimal die Woche diese Übungen zu absolvieren, das ist das Mindeste, sonst bekommt man in der siebten bis neunten Woche Probleme, ist sich Grandjean sicher.


Langsam laufen, damit der Puls nicht zu sehr nach oben schießt
Bei Lauf geht’s trainiert man nicht auf Kilometer, sondern auf Zeit und überwiegend im niedrigeren Pulsbereich. Dieser ist bei jedem anders und muss individuell berechnet werden. Ziel ist es, den Körper in den Fettstoffwechsel zu bringen. Grandjean versichert, dass man durch die langsamen Läufe automatisch schneller wird. Das heißt, wer beim Training in seinen oberen Pulsbereich kommt, nimmt sich lieber zurück und läuft langsamer. Denn es gilt, so wenig wie möglich im roten Bereich zu trainieren – außer beim High Intensity Intervall Training (HIIT) und bei den Steigerungsläufen. Bei beidem geht es an die persönliche Leistungsgrenze. Aber Achtung: An die Grenze, nicht darüber. Sonst drohen Verletzungen.


Wer langsam läuft, wird automatisch schneller
Das HIIT dauert nur wenige Minuten und entspricht einem Kniehebelauf auf der Stelle. 20 Sekunden Vollgas, 10 Sekunden Pause und das Ganze vier- bis achtmal wiederholen. Das mag harmlos klingen, treibt den Puls aber an seine Maximalgrenze. Und ist daher sehr gut geeignet, um seinen persönlichen Maximalpuls zu bestimmen. Die normalen Trainingsläufe sollten sich dann im Bereich von 50 bis 65 Prozent dieses maximalen Wertes bewegen. Tipp: Der Wert kann sich verändern und sollte daher aller zwei Monate neu bestimmt werden.


Am Anfang ist es eine gute Idee, auf Waldboden zu laufen, weil er weich ist und gut abfedert. Später geht es aber auf Asphalt, denn die Halbmarathon-Strecke von Schwäbisch Gmünd nach Urbach führt über Straßen und asphaltierte Wege.


Muskelkater und Seitenstechen: Was hilft?
„Wer Verletzungen hat, geht zum Arzt“, betont Grandjean. Für typische Probleme wie Muskelkater, Seitenstechen und Blasen hat er aber ein paar Tipps: Muskelkater wird durch Mikrofaserrisse verursacht und ist eigentlich gut, weil er zeigt, dass sich der Muskel weiter aufbaut. Die Faszienrolle kann Linderung verschaffen. Das Bindegewebe verklebt gerne und auch das führt zu Muskelschmerzen. Als das Faszientraining aufkam, wurden besonders harte Rollen empfohlen. Dies ist mittlerweile überholt. Die Empfehlung lautet: langsam, nur in eine Richtung rollen und dabei nicht zu viel Druck ausüben. Ganz wichtig: Gelenke und die Wirbelsäule aussparen.


Seitenstechen kann durch zu viel Essen vor dem Training verursacht werden, oder weil man das Training übertrieben hat. Wenn es dazu kommt: anhalten, in die Knie gehen und die schmerzende Stelle mit der Hand massieren, um wieder ins normale Atmen zu kommen. Nach circa drei Minuten ist der Spuk vorbei.


Blasen kommen oft von neuen Schuhen, falschen Socken oder persönlichen Schwachstellen. Kennt man seine typischen Problemzonen, kann man diese mit Vaseline vorab einreiben oder gar prophylaktisch Blasenpflaster tragen. Wer beim Laufen umknickt, reagiert am besten mit der PECH-Strategie: Pausieren, Eis zur Kühlung, Kompression und hochlagern. Bandagen, Kompressionsstrümpfe oder Taping braucht es aber nur bei Problemen, nicht pro forma.

Bei Krankheit auf jeden Fall pausieren und sich auskurieren
Was macht man eigentlich bei Erkältung oder Grippe? Auf keinen Fall laufen, sondern sich auskurieren. Eine Herzmuskelentzündung möchte schließlich keiner riskieren. Um Druck rauszunehmen: Ausfälle wegen Krankheit oder Urlaub sind im Trainingsplan mit einkalkuliert.


Zu welcher Tageszeit man trainiert, ist völlig egal und hängt von der Lebenssituation ab. Auch das Laufband ist in Ordnung, wenn man die Neigung regelmäßig verstellt. Ob mit Musik, Hörbuch oder lieber in Stille – jede und jeder trainiert so, wie es ihr oder ihm guttut. Im Idealfall verfällt der Körper in einen Automatikmodus und später bei den längeren Läufen vielleicht auch einmal in ein Runner’s High. Die Endorphine, die dabei ausgeschüttet werden, versprechen Glücksmomente pur. Jetzt zu Beginn ist aber erst einmal Basisarbeit angesagt.

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